Arbeitsrecht Archiv

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Thema: Betriebsrat

Bei der Festlegung von Arbeitsanweisungen und Meldeverfahren hat Ihr Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden
LAG Schleswig-Holstein, Entscheidung vom 06.08.2019 − Az.: 2 TaBV 9/19

Fall:

Der Arbeitgeber betreibt ein Callcenter. Dort arbeiten ca. 500 Beschäftigte. Sie übernehmen Service-Dienstleistungen für unterschiedliche Auftraggeber, und zwar per Telefon, E-Mail und Chat. Folge dessen ist, dass viele personenbezogene Daten ausgetauscht werden. Der Arbeitgeber wollte sich gegen mögliche Pannen absichern. Er erließ deshalb eine Arbeitsanweisung, wie im Fall möglicher IT-Datenpannen zu verfahren sei. Die Anweisung sah vor, dass die Arbeitnehmer eine vorformulierte, standardisierte E-Mail an eine bestimmte E-Mail-Adresse senden sollten. Die Arbeitnehmer waren aufgerufen, dieses Ver-fahren strikt einzuhalten.

Betriebsrat besteht auf seinem Mitbestimmungsrecht

Der Betriebsrat war mit dem Vorgehen des Arbeitgebers nicht einverstanden. Er war der Meinung, dass er bei dieser Angelegenheit hätte beteiligt werden müssen. Das begründete er damit, dass es sich beider strikt einzuhaltenden Verhaltensregel um eine Angelegenheit der betrieblichen Ordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handele.

Arbeitgeber beruft sich auf Compliance-Angelegenheit

Dem hielt der Arbeitgeber entgegen, dass er die Anweisung als Compliance-Maßnahme betrachte. Diese habe er zwingend vornehmen müssen, um seinen Verpflichtungen aus Art. 33 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nachzukommen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hielt er deshalb nicht für gegeben.

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Gericht:

Gericht hält Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für gegeben

Das Gericht stand aufseiten des Betriebsrats. Es entschied, dass die Anweisung standardisierte Verhaltensregeln zum Umgang mit IT-Pannen enthalte. Solche Anweisungen seien nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Eine entsprechende Regelung gehe – anders als vom Arbeitgeber behauptet – nicht zwingend aus der DSGVO hervor. Die Richter stellten insoweit klar, dass eine solche Vorschrift zwar zweckmäßig sei, sich aber nicht zwingend aus den Anforderungen der DSGVO ergebe. Ziel des Arbeitgebers sei es vielmehr gewesen, sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer im Fall einer IT-Panne gleich vorgehen. Derartige Verhaltensregeln seien mitbestimmungspflichtig und nicht per Direktionsrecht ohne Beteiligung des Betriebsrats durchzusetzen.

Ergebnis:

Bei der Festlegung von Compliance-Regelungen redet Ihr Betriebsrat mit

Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema Compliance und führen Regelungen verbindlich ein. Das ist grundsätzlich auch im Sinne Ihrer Mitarbeiter. Als Arbeitgeber sollten Sie dabei aber nicht die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aus dem Auge verlieren. Denn der soll sicherstellen, dass die Rechte Ihrer Beschäftigten hinreichend berücksichtigt werden. Missachten Sie das Beteiligungsrecht Ihres Betriebsrats, riskieren Sie, dass sich Ihre Mitarbeiter nicht an die entsprechende Regelung gebunden fühlen. Das sind Sie auch nicht. Schließlich sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, eine nicht auf rechtmäßige Weise entstandene Regelung einzuhalten. Zudem müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Betriebsrat einen Antrag auf Unterlassung der ohne Mitbestimmung eingeführten Maßnahme stellt.

Betriebsrat klagt: Arbeitnehmer dürfen Atemschutzmaske tragen
ArbG Berlin, Entscheidung vom 04.03.2020 − Az.: 55 BVGa 2341/20

Fall:

Ein Arbeitgeber betrieb auf den Berliner Flughäfen Duty-Free-Shops. Nach der Behauptung des Betriebsrats habe der Arbeitgeber den Arbeitnehmern untersagt, während der Arbeit – insbesondere bei Ankunft von Flügen aus China – Mundschutz und Handschuhe zu tragen. Der Arbeitgeber habe einzelnen Mitarbeitern gedroht: „Wenn du das weiterträgst, schicken wir dich nach Hause!“ Der Betriebsrat hielt seine Mitbestimmungsrechte für verletzt und klagte. Kurz vor der Verhandlung teilte der Arbeitgeber schriftlich mit, dass es ein solches Verbot bei ihm nicht gebe. Das Tragen von Handschuhen werde ausdrücklich genehmigt. Tatsächlichen hätten auch Mitarbeiter schon Handschuhe und Mundschutz getragen.

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Gericht:

Zu einer Entscheidung durch das Gericht kam es auf Grund des Schreibens des Arbeitgebers nicht mehr. Vielmehr erklärte der Betriebsrat das Verfahren damit für erledigt (ArbG Berlin, 04.03.2020, Az.: 55 BVGa 2341/20).

Ergebnis:

Als Arbeitgeber sind Sie zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen verpflichtet

Es gibt es verschiedenste Schutzmaßnahmen, die Sie als Arbeitgeber ergreifen können und sollten. Das Robert Koch-Institut(RKI) empfiehlt hier insbesondere eine aktive Information sämtlicher Arbeitnehmer über allgemeine Maßnahmen des Infektionsschutzes, wie z. B. Händehygiene, Abstand halten oder Husten- und Schnupfenhygiene. Ihre Möglichkeiten an Maßnahmen reichen vom vermehrten Bereitstellen von Desinfekti-onsmitteln bis zum Verteilen etwaiger Atemschutzmasken. Letzteres empfiehlt sich sicher vor allem an besonders gefährdeten Arbeitsplätzen, wie z. B. einem Flughafen.

Betriebsratsschulungen - Fordern Sie die Geschenke von Seminaranbietern an Betriebsratsmitglieder heraus
ArbG Lüneburg, Entscheidung vom 02.10.2019 − Az.: 1 BV 5/19

Fall:

Die Arbeitgeberin verlangte von allen Mitarbeitern des Betriebs die Herausgabe von „Werbegeschenken" im Wert von über 10 €. 2 Betriebsratsmitglieder besuchten mehrere Betriebsratsschulungen. Zu dem „Seminarpaket“ gehörten neben den üblichen Schulungsmaterialien wie Gesetzestexten, Bleistiften und Textmarkern auch Regenschirme, Rucksäcke, jeweils ein Tablet und ein Datenstift zur Bedienung mit passenden Laptop-Taschen. Konkret ging es dabei um einTablet des Herstellers Odys und ein „Moleskine Smart Writing Set“. Als die Arbeitgeberin von den bei der Schulung übergebenen Gegenständen erfuhr, verlangte sie die Herausgabe der Tabletsund der Datenstifte.

Betriebsrat verklagte seinen Arbeitgeber

Die Betriebsratsmitglieder kamen der Aufforderung zunächst nach, wollten es damit aber nicht bewenden lassen. Der Betriebsrat zog vor das ArbG und beantragte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihm diese Gegenstände wieder herauszugeben. Hilfsweise beantragte er, sie dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen.

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Gericht:

Arbeitsgericht war auf Seite des Arbeitgebers

Das ArbG hat die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen. Es bestand kein Herausgabeanspruch. Die Arbeitgeberin hat die streitigen Gegenstände nicht durch verbotene Eigenmacht erlangt. Der Betriebsrat hatte die Gegenstände selbst an den Arbeitgeber übergeben. Eine Wegnahme war nicht erfolgt. Der Betriebsrat konnte auch nicht verlangen, dass die Arbeitgeberin ihm die Gegenstände wieder zur Verfügung stellt. Zwar hat der Arbeitgeber die nötigen Sachmittel für die Arbeit des Betriebsrats nach § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zur Verfügung zu stellen, Arbeitgeber haben aber ein Auswahlrecht bei der Beschaffung von Sachmitteln. Gerade unter den Gesichtspunkten der Kompatibilität von technischen Geräten und der IT-Sicherheit ist es unerlässlich, dass der Arbeitgeber selbst die dem Betriebsrat als Sachmittel zur Verfügung stehende Hard- und Software aussucht.

Ergebnis:

Gegenstände waren nicht erforderlich

Außerdem waren die „Sachmittel“ nicht zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich im Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat benötigte für die Erledigung seiner gesetzlichen Aufgaben weder einen elektronischen Stift noch ein Tablet. Gegen Letzteres spricht schon, dass der Betriebsrat vor der Schulung nie ein Tablet beantragt hatte und zudem das Gerät über Monate ungenutzt ließ.

Betriebsverfassungsrecht - Vermeiden Sie diese Fehler bei der Anhörung Ihres Betriebsrat
LAG Hamm, Entscheidung vom 24.07.2019 − Az.: 4 Sa 143/19

Fall:

Die Fehler des Arbeitgebers

Einem Arbeitnehmer sollte wegen verschiedener Pflichtverstöße außerordentlich fristlos gekündigt werden. Vor Ausspruch der Kündigung musste die Arbeitgeberin ihren Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 Be‐triebsverfassungsgesetz (BetrVG) anhören. Ohne eine solche Anhörung ist eine Kündigung unwirksam. Und in diesem Fall hatte die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht über einen bestehenden tariflichen Son‐derkündigungsschutz unterrichtet. Das war ihrer Ansicht aber auch egal, weil sie dem Arbeitnehmer fristlos kündigen wollte und der Sonderkündigungsschutz dann keine Rolle spielen würde. Zudem ließ die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber in Unkenntnis, wann genau sie von den Vorwürfen gegen den Arbeitnehmer erfahren hatte.

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Gericht:

Die Kündigung war unwirksam

Die Arbeitgeberin hatte bei der Betriebsratsanhörung einen entscheidenden Fehler gemacht. Deshalb war die Kündigung unwirksam. Sie hätte nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ihrem Betriebsrat mitteilen müssen, dass der Arbeitnehmer einen tariflichen Sonderkündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer hatte. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat ferner die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Juristen nennen das den Grundsatz der subjektiven Determinierung. Die‐sem Grundsatz kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die dem Arbeitgeber bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten können.

Ergebnis:

Persönliche Umstände müssen mitgeteilt werden

Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers dem Betriebsrat mitteilen. Das gilt selbst dann, wenn sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung sind. Sinn dieser Regelung ist, dass sich der Betriebsrat so gut wie möglich ein eigenes Bild von den Umständen der Kündigung machen können muss. Auf keinen Fall darf der Arbeitgeber persönliche Umstände vorenthalten, die sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirken und deshalb für die Beurteilung des Betriebsrats entscheidend sein könnten. Deshalb muss der Arbeitgeber die „Sozialdaten“ mitteilen. Im Allgemeinen gehören das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit sowie ein eventueller Kündigungsschutz zu den für die Beurteilung durch die Arbeitnehmervertretung unverzichtbaren Daten.
Dies gilt auch für die Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung bei tariflichem oder einzelvertraglichem Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung. Gerade dann sind die Daten für den Betriebsrat zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung von Bedeutung, weil der Sonderkündigungsschutz die Interessenabwägung beeinflussen könnte. Ob sich dies im Einzelfall tat‐sächlich auswirkt, ist keine Frage der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.

Die Bezahlung von Betriebsräten
LAG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 17.09.2019 − Az.: 19 Sa 15/19

Fall:

Ein Arbeitnehmer war vor Übernahme seines Betriebsratsamtes im 3-Schichtbetrieb tätig. Teil seiner Vergütung waren deshalb die entsprechenden Schichtzulagen. Obwohl er das Betriebsratsamt in einer Tagschicht ausübte, erhielt er weiterhin die Schichtpauschale in Höhe von 1.013,75 Euro. Dann stellte der Arbeitgeber allerdings den Schichtbetrieb wegen eines Auftragsmangels komplett ein. Deshalb zahlte er dem Betriebsratsmitglied auch die Schichtzulage nicht mehr. Das zog nun vor die Arbeitsgerichte.

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Gericht:

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass das Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Fortzahlung der Schichtzulage hatte. Es besteht kein Anspruch auf eine vor der Freistellung erhaltene Zulage, wenn der Arbeitgeber diese für alle Mitarbeiter streicht. Bei der Bezahlung von Betriebsräten ist eine hypothetische Betrachtung maßgeblich. Das Gericht wies in seiner Begründung auch darauf hin, dass Betriebsratsmitgliedern durch die Übernahme des Betriebsratsamtes keine Nachteile entstehen dürfen, vor allem dürfen sie keine Einkommensnachteile erleiden. Im Hinblick auf die Fortzahlung der Vergütung war der Maßstab allerdings die Situation vergleichbarer Arbeitnehmer. Und die hatten alle die Schichtzulage nicht mehr erhalten.

Ergebnis:

Der Betriebsrat hat den Rechtsstreit verloren.

Einhaltung von Corona‐Schutzvorschriften: Ihr Betriebsrat muss der Kontrolle der Sicherheitsabstände per Videoüberwachung zustimmen
ArbG Wesel, Entscheidung vom 24.04.2020 − Az. 2 BVGa 4/20

Fall:

Der Arbeitgeber, ein Logistik‐ und Versandunternehmen, kontrollierte die Einhaltung der coronabedingt empfohlenen Sicherheitsabstände von mindestens 2 Metern unter den Mitarbeitern per Videoüberwachung. In dem Betrieb existierte zudem eine Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras. Danach wurden die erstellten Aufnahmen mittels einer Software anonymisiert und auf im Ausland befindlichen Server gespeichert. Die Nutzung der Videokameras zur Kontrolle der Sicherheitsabstände regelte die Betriebsvereinbarung nicht. Das nahm der Betriebsrat zum Anlass, seine Beteiligung einzufordern. Dazu leitete er ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein. Er wendete sich darin gegen die Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte und forderte Unterlassung.

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Gericht:

Übertragung der Daten ins Ausland war nicht zulässig

Das Gericht hat dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats teilweise stattgegeben. Es stellte klar, dass die Übermittlung der Daten ins Ausland der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras widerspreche. Außerdem entschied das Gericht, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verletzt sind. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt Ihr Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitneh‐mer zu überwachen, mit. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 ist er zudem zu beteiligen, wenn es um die Einführung von Regelungen im Gesundheitsschutz geht. Beide Regelungen waren im Hinblick auf die Kontrolle der Einhaltung der im Rahmen der Corona‐Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände per Videoüberwachung betroffen.

Ergebnis:

Setzen Sie Videoüberwachung nur behutsam ein

Die Videokontrolle sorgt immer wieder für Unsicherheit und Schlagzeilen, vor allem dann, wenn heimlich Umkleideräume oder sogar die sanitären Anlagen überwacht werden. Gehen Sie deshalb in jedem Fall überlegt vor.

Folgendes gilt: Die Videoüberwachung ist zur Kontrolle von Grundstücken und Betriebsräumen zum Schutz vor dem Eindringen Unbefugter grundsätzlich zulässig. Die systematische Videoüberwachung einzelner Mitarbeiter ist hingegen nicht zulässig, jedenfalls dann nicht, wenn sie nur auf die Erbringung der Arbeitsleistung gerichtet ist. Eine dauerhafte, verdachtsunabhängige und heimliche Videoüberwachung ohne Grund ist nicht gerechtfertigt. Solche Überwachungen stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Ihrer Mitarbeiter dar. Haben Sie jedoch einen Diebstahlverdacht können Sie eine heimliche Videoüberwachung im öffentlichen Raum nutzen, wenn

  • es den konkreten Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung, etwa eines Diebstahls, zu Ihren Lasten gibt,
  • der Verdacht nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen aufgeklärt werden kann und
  • die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.

Einsetzung des Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl
LAG Schleswig-Holstein, Entscheidung vom 22.01.2020 − Az.: 3 TaBV 23/19

Fall:

In einem Unternehmen bestand weder ein Betriebsrat, noch ein Konzernbetriebsrat oder Gesamtbetriebsrat. Deshalb luden drei Arbeitnehmer zu einer Wahlversammlung ein. Dort sollte einen Wahlvorstand eingesetzt werden. Auf der Versammlung wurde dann mehrheitlich entschieden, die Betriebsversammlung zu vertagen. Die drei Arbeitnehmer zogen daraufhin vor das Arbeitsgericht und verlangten die Einsetzung eines Wahlvorstands.

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Gericht:

Damit hatten sie richtig gelegen. Die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands kann nach § 17 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz nur erfolgen, wenn es den Arbeitnehmern des Betriebs nicht gelungen ist, auf einer Wahlversammlung einen Wahlvorstand zu wählen. Dadurch, dass in der Wahlversammlung kein weiterer Termin festgelegt wurde, war diese objektiv gescheitert.

Ergebnis:

Das Arbeitsgericht hat einen Wahlvorstand eingesetzt.  

Geschenke an Betriebsratsmitglieder herausverlangen
ArbG Lüneburg, Entscheidung vom 02.10.2019 − Az.: 1 BV 5/19

Fall:

Eine Arbeitgeberin hatte festgelegt, dass alle Mitarbeiter „Werbegeschenken" im Wert von über 10,- € herauszugeben haben. Nun besuchten einige Betriebsratsmitglieder Schulungen. Zu dem „Seminarpaket“ gehörten unter anderem auch ein Tablet-PC und ein Datenstift zur Bedienung mit passenden Laptoptaschen. Die Arbeitgeberin erfuhr von den bei der Schulung übergebenen Gegenständen und verlangte sie heraus. Der Betriebsrat kam der Aufforderung zunächst nach, wollte es damit aber nicht zufriedengeben. Er zog vor das Arbeitsgericht und beantragte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihm diese Gegenstände wieder herauszugeben.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Es bestand kein Herausgabeanspruch. Zwar hat der Arbeitgeber die nötigen Sachmittel für die Arbeit des Betriebsrats nach § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz zur Verfügung zu stellen. Arbeitgeber haben aber ein Auswahlrecht bei der Beschaffung von Sachmitteln. Gerade unter den Gesichtspunkten der Kompatibilität von technischen Geräten und der IT-Sicherheit ist es unerlässlich, dass der Arbeitgeber selbst die dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellende Hard- und Software aussucht. Zudem waren die „Sachmittel“ nicht zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich im Sinne von § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz.

Ergebnis:

Der Betriebsrat hat den Rechtsstreit verloren und bekommt die Gegenstände nicht wieder.

Ihr Betriebsrat hat kein Initiativrecht bei der Abberufung Ihrer Sicherheitsfachkraft
LAG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 05.11.2019 − Az.: 7 TaBV 1728/19

Fall:

Betriebsrat will Sicherheitsfachkraft abberufen

Der Betriebsrat war mit der im Unternehmen tätigen Sicherheitsfachkraft nicht mehr einverstanden. Er war der Ansicht, sie komme ihren Verpflichtungen nicht nach. Vor allem setze sie sich nicht ausreichend für den Arbeitsschutz ein. Der Betriebsrat wollte die Sicherheitsfachkraft deshalb abberufen. Der Arbeitgeber sah das ganz anders. Er war mit der Qualität der Arbeit der Sicherheitsfachkraft zufrieden. Da sich der Arbeitgeber und der Betriebsrat nicht einigen konnten, landete die Angelegenheit vor der Einigungsstelle. Dort machte der Betriebsrat ein Initiativrecht für die Abberufung der Sicherheitsfachkraft geltend.

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Gericht:

Gericht verweigert Betriebsrat die Abberufung

Das Gericht entschied, dass der Betriebsrat kein Initiativrecht bei der Abberufung der Sicherheitsfachkraft habe. Das begründeten die Richter mit dem Gesetzeswortlaut des § 9 Arbeitssicherheitsgesetz. Danach stehe dem Betriebsrat nur das Recht der Zustimmung zu. Aus dieser Tatsache lasse sich schließen, dass die Initiative vom Arbeitgeber ausgehen müsse. Der Betriebsrat habe lediglich einer Entscheidung des Arbeitgebers zuzustimmen oder sie abzulehnen. Er könne jedoch nicht aus eigenem Antrieb handeln. Für diese Entscheidung sprach nach Meinung der Richter zudem, dass es grundsätzlich auch die Möglichkeit gebe, eine Sicherheitsfachkraft freiberuflich zu beschäftigen. In diesem Fall sei der Betriebsrat sogar nur anzuhören. Er habe nicht einmal ein Zustimmungsrecht.

Ergebnis:

Ihr Betriebsrat ist möglicherweise mit vielen Dingen, die Sie entscheiden, nicht einverstanden. Einiges kann er nicht ändern. Das muss er hinnehmen. Die Abberufung Ihrer Sicherheitsfachkraft etwa kann er nicht aus eigener Initiative veranlassen. Dabei versuchen die Arbeitnehmervertreter jedoch immer wieder, Einfluss zu nehmen. Häufig allerdings ohne Erfolg, wie die aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg zeigt.

Ihr Betriebsrat redet auch bei der Arbeitszeitverteilung von Leiharbeitnehmern mit
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 22.10.2019 − Az.: 1 ABR 17/18

Fall:

Ein Textilhandelsunternehmen mit mehreren Filialen schloss mit dem Betriebsrat einer Filiale im Jahr 2011 eine Betriebsvereinbarung über Beginn und Ende der Arbeitszeit. Enthalten waren auch die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage sowie eine Pausenregelung. Für die Personaleinsatzplanung war vorgesehen, dass diese vier Wochen im Voraus zu erstellen und dem Betriebsrat zur Zustimmung vorzulegen sei. Nur in dringenden Ausnahmefällen war die bloße Unterrichtung des Betriebsrats vorgesehen. Der Arbeitgeber setzte an einzelnen Tagen Leiharbeitnehmer ein, wenn dies die betriebliche Situation (Krankheitstage, Vorbereitung für eine neue Kollektion) erforderte. Er teilte dies einen Tag vorher dem Betriebsrat mit. Die Betriebsratssitzung mit der Beratung über den Einsatz der Leiharbeitnehmer fand immer erst nach Beendigung der jeweiligen Maßnahmen statt. Der Betriebsrat war der Auffassung, der Arbeitgeber habe sein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Arbeitszeit im Betrieb verletzt. Auf Leiharbeitnehmer sei die Betriebsvereinbarung nicht anwendbar.

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Gericht:

Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Argumentation des Betriebsrats nicht. Dieser habe zwar ein Mit-bestimmungsrecht auch bei der Einteilung neu eingestellter Arbeitnehmer oder des Einsatzes von Leiharbeitnehmern. Dieses habe der Betriebsrat allerdings mit der Betriebsvereinbarung bereits wahrgenommen. Hiervon seien auch Leiharbeitnehmer erfasst. Allerdings habe der Arbeitgeber die dort vorgesehenen Verfahrensregelungen bei kurzfristigen Änderungen der Personaleinsatzplanung verletzt. Dies wirke sich hier allerdings nicht mehr aus, weil zwischenzeitlich eine neue Betriebsvereinbarung im Jahr 2018 in Kraft getreten sei. Einen Unterlassungsanspruch könne der Betriebsrat nicht mehr geltend machen.

Ergebnis:

Keine Mitbestimmung - Unterlassungsklage droht

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit mitzubestimmen. Dies beinhaltet auch die Dienstplangestaltung. Das Mitbestimmungsrecht besteht jedoch nur, soweit eine tarifliche Regelung nicht zwingend vorgeht. Der Umfang der Arbeitszeit richtet sich dagegen nach den gesetzlichen, tariflichen oder arbeitsvertraglichen Regelungen. Sinnvoll ist dabei natürlich, eine Betriebsvereinbarung zu schließen, die alle Modalitäten der Mitbestimmung regelt. Dabei sollten Sie insbesondere darauf achten, dass auch klare Regelungen für kurzfristige Änderungen des Personaleinsatzes getroffen werden. Ein Schichtplan ist gut und schön, alle Eventualitäten können damit aber in den sel-tensten Fällen abgedeckt werden. Setzen Sie dagegen im Alleingang Maßnahmen um, die eigentlich der Mitbestimmung des Betriebs-rats unterliegen, kann dieser auf Unterlassung klagen. Dies gilt auch für die Zukunft, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht.

Interne Streitigkeiten der Gewerkschaft
Hessisches LAG, Entscheidung vom 06.11.2019 − Az.: 16 SaGa 1304/19

Fall:

Die Unabhängige Flugbegleiter Organisation e.V. (UFO) wollte am 7. und 8. November 2019 streiken und es sollten insgesamt 1.300 Flüge ausfallen. Die Gewerkschaft forderte höhere Spesen und Zulagen sowie einen verbesserten Zugang von Saisonarbeitern zu regulären Anstellungsverhältnissen. Die Lufthansa AG äußerte Bedenken, ob die UFO durch ihren Vorstand ordnungsgemäß vertreten worden war, da wegen interner Streitigkeiten der Vorstand der UFO kürzlich gewechselt hatte. Schließlich zog die Lufthansa AG vor das Arbeitsgericht.

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Gericht:

Mögliche interne Mängel bei der UFO sind im Eilverfahren nicht geklärt worden. Die Bedenken der Lufthansa AG rechtfertigten kein Verbot des geplanten Streiks. Die internen Streitigkeiten wirken sich jedenfalls nicht gegenüber dem Verhandlungspartner Lufthansa nicht aus. Die generelle Tariffähigkeit wurde allerdings nicht geprüft, sondern lediglich nicht verneint.

Ergebnis:

Die Warnstreiks waren zulässig.

Keine Unterlagen für den Betriebsrat
LAG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 28.01.2020 − Az.: 19 TaBV 2/19

Fall:

Ein Betriebsrat vertrat 240 Arbeitnehmer einer ausgegliederten Tochtergesellschaft einer Universitätsklinik. Die Abteilung Arbeitssicherheit der Gesellschaft erstellt jährlich einen Bericht, den auch der Betriebsrat erhielt. Nun meinte aber der Betriebsrat, zur Erfüllung seiner Überwachungspflichten nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe er Anspruch auf weitergehende Informationen. Er wollte wissen, welche Tätigkeiten und Leistungen die Fachkraft für Arbeitssicherheit im Einzelnen erbracht und ob sie damit ihre Aufgaben erfüllt hat. Es müsse ein Bericht erstellt werden, der es dem Betriebsrat ermögliche, jede Aktivität der Fachkraft für Arbeitssicherheit erfassen und beurteilen zu können. Deshalb zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Der Betriebsrat hatte jedoch keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber darauf, dass dieser die Fachkraft für Arbeitssicherheit zur detaillierten Aufschlüsselung der Aktivitäten veranlasst. Ein entsprechender Jahresbericht, den die Fachkraft für Arbeitssicherheit ohnehin verfasst, entspricht den Unfallverhütungsvorschriften, hier § 5 DGUV VO2. Der Betriebsrat ist keine innerbetriebliche Aufsichtsbehörde, die die Aktivitäten der Fachkraft für Arbeitssicherheit im Einzelnen zu kontrollieren hat. Ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf detaillierte Aufschlüsselung sämtlicher Aktivitäten der Fachkraft für Arbeitssicherheit ergibt sich nicht aus § 9 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und auch nicht aus §§ 89 Abs. 1 Satz 1, 80 Abs. 1 Ziff. 1, Ziff. 9, Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Das gilt insbesondere dann, wenn dem Betriebsrat weiteren Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen wie beispielsweise der Arbeitsschutzausschuss nach § 11 ASiG. Der § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG begründet einen Anspruch auf Vorlage von Unterlagen, nicht aber auf die Herstellung vom Betriebsrat gewünschter Unterlagen.

Ergebnis:

Der Betriebsrat hat den Rechtsstreit verloren.

Lassen Sie Ihren Betriebsrat mitreden, wenn Sie einen betrieblichen Twitter-Account betreiben
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 25.02.2020 − Az. 1 ABR 40/18

Fall:

Folgendes hatte sich ereignet: Der Arbeitgeber, ein größerer Kinobetrieb mit zahlreichen Tochtergesell‐schaften, unterhält einen Twitter‐Account. Diesen betreuten Angestellte des Arbeitgebers aus der Zent‐ralverwaltung. Die veröffentlichten Nachrichten (Tweets) sind für jedermann lesbar, also nicht nur für registrierte Abonnenten. Nachdem das BAG Ende des Jahres 2016 entschieden hatte, dass die Einrichtung eines betrieblichen Facebook‐Accounts mitbestimmungspflichtig ist (BAG, Beschluss vom 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15), leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren zur Deaktivierung des Twitter‐Accounts ein. Er vertrat die Auffassung, er habe ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Betreibung des Twitter‐Accounts. Der Arbeitgeber weigerte sich jedoch, diesen zu deaktivieren. Daraufhin klagte der Betriebsrat auf Unterlassung der Betreibung des Accounts, und zwar so lange, wie es dem Arbeitgeber an seiner Zustim‐mung bzw. einer seiner Zustimmung ersetzenden Entscheidung fehle.


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Gericht:

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht

Vor dem LAG Hamburg hatte er damit Erfolg. Das Gericht gab dem Betriebsrat recht. Es entschied, der Arbeitgeber dürfe den Twitter‐Account nicht betreiben, bis der Betriebsrat offiziell zugestimmt habe bzw. seine Entscheidung durch eine entsprechende Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt werde. Das begründete das Gericht mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz. Dabei handelt es sich um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anwendung technischer Einrichtungen, die geeignet sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Gegen diese Entscheidung wendete sich der Arbeitgeber beim BAG.

Ergebnis:

Vorerst keine Entscheidung zur Mitbestimmung

Allerdings konnte er keine Entscheidung über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Nutzung eines Twitter‐Accounts erreichen. Denn das BAG hielt bereits das Begehren des Betriebsrats für unzulässig. Das Verfahren war von einem unternehmensübergreifend gebildeten Gesamtbetriebsrat eingeleitet worden. Dieser war wiederum auf Basis eines Zuordnungstarifvertrags errichtet worden, der aus tariflichen Gründen nicht wirksam war. Das BAG hielt deshalb das Verlangen des Gesamtbetriebsrats bereits für unzulässig.

Soll ein Arbeitnehmer an mehreren Standorten eingesetzt werden, müssen alle Betriebsräte zustimmen
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 22.10.2019 − Az. 1 ABR 13/18

Fall:

Zur Arbeitgeberin gehörten unterschiedliche Betriebe. Deshalb gab es neben den Betriebsräten der einzelnen Betriebe einen Gesamtbetriebsrat. Die Arbeitgeberin unterhielt unter anderem 3 Betriebe, die auf IT-Dienstleistungen für den Finanzsektor spezialisiert waren. Für einen dieser Betriebe stellte sie einen Leiter im Bereich Produktion Groupware ein. Im Arbeitsvertrag einigten sich die Arbeitgeberin und der Arbeitnehmer auf M. als Arbeitsort. Allerdings trug der Arbeitnehmer nicht nur die Personalverantwortung für Beschäftigte am Standort M., sondern auch für 2 Arbeitnehmer, die am Standort H. arbeiteten.

Arbeitnehmer erhält an 2 Standorten Personalverantwortung
Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer hatten sich darauf geeinigt, dass der Arbeitnehmer seine Aufgaben tageweise an beiden Standorten erledigen sollte. In M. hatte er anders als in H. ein eigenes Büro. Bei der Einstellung hatte die Arbeitgeberin den am Standort M. gebildeten Betriebsrat um seine Zustimmung gebeten. Diese hatte sie auch erhalten. Den am Standort H. gebildeten Betriebsrat hatte die Arbeitnehmerin nicht beteiligt. 

Betriebsrat des Standorts H. verlangt, Einstellung aufzuheben
Als der Betriebsrat des Standorts H. von der Einstellung und der Aufgabenverteilung erfuhr, war er erbost, dass man ihn nicht beteiligt hatte. Er beantragte deshalb vor Gericht, die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Einstellung im Betrieb H. aufzuheben. Dabei berief sich der Betriebsrat darauf, dass die Arbeitgeberin seine Mitbestimmungsrechte ignoriert habe. Die Einstellung sei ohne seine Zustimmung erfolgt. Das Arbeitsgericht wies den Antrag ab und das Landesarbeitsgericht wies die daraufhin eingelegte Beschwerde zurück. Vordem BAG hatte der Betriebsrat dann allerdings Erfolg.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Gericht verpflichtet Arbeitgeber, Einstellung aufzuheben

Das BAG entschied, dass die Arbeitgeberin verpflichtet sei, die Einstellung des Arbeitnehmers für den Standort H. aufzuheben. Das begründeten die Richter damit, dass diese ohne die Zustimmung des im Betrieb in H. ansässigen Betriebsrats vorgenommen worden sei. Die Richter stellten insoweit klar, dass eine entsprechende Einstellung nach § 101 BetrVG aufgehoben werden könne. Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzuerlegen, eine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn dieser die Maßnahme ohne seine Zustimmung durchgeführt hat. Denn in einem solchen Fall ist diese betriebsverfassungswidrig. Das sei hier geschehen. Die Arbeitgeberin hatte den Arbeitnehmer eingestellt und ihm Aufgaben und Personalverantwortung an den Standorten M. und H. übertragen. Dabei hatte sie lediglich die Zustimmung des Betriebsrats am Standort M. eingeholt. Den Betriebsrat am Standort H. hatte sie nicht beteiligt.

VW-Dieselaffäre: Sie sollten viel Zeit und Sorgfalt in eine Betriebsratsanhörung investieren
ArbG Braunschweig, Entscheidung vom 10.02.2020 − Az.: 8 Ca 334/18

Fall:

Der ehemalige Hauptabteilungsleiter und Leiter der Dieselmotorenentwicklung der Volkswagen AG erhielt die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitgeberin warf ihm vor, er habe die Nutzung unerlaubter Abgassoftware einschließlich deren Weiterentwicklung in den USA trotz frühzeitiger Kenntnis ab dem Jahr 2011 nicht unterbunden. Zudem habe er die Implementierung der Software in eine neue Motorengeneration angeordnet und zur Verschleierung der Problematik gegenüber den US-Umweltbehörden beigetragen.

Auflösungsantrag gestellt

Außerdem stellte die Arbeitgeberin einen Auflösungsantrag. Das ist eine grundsätzlich interessante Variante der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, die Sie kennen sollten.

Darum geht es beim Auflösungsvertrag

Vereinfacht dargestellt können sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber beantragen, dass das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung durch Urteil auflösen kann, wenn der Fortbestand dem anderen Vertragspartner nicht zumutbar ist. Hier finden Sie den genauen Wortlaut: https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__9.html

Die Begründung für den Auflösungsantrag

Den Auflösungsantrag stützte die Arbeitgeberin auf den Bruch einer Stillschweigensvereinbarung bei außergerichtlichen Vergleichsgesprächen.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Die überraschende Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das ArbG Braunschweig gab der Kündigungsschutzklage statt. Den Auflösungsantrag der Arbeitgeberin wies es ab.

Denn: Der Betriebsrat war vor Ausspruch der Kündigung von der Arbeitgeberin nicht ordnungsgemäß angehört worden. Damit konnte aber auch der Auflösungsantrag der Arbeitgeberin keinen Erfolg haben. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz kommt nur in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung allein aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit und nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Das hatte bereits im Jahr 2016 das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (BAG, Urteil vom 22.9.2016, Az. 2 AZR 700/15).

Ergebnis:

Arbeitnehmer muss weiterbeschäftigt werden

Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht fort und der Arbeitnehmer muss weiterbeschäftigt werden, wenn auch nicht zwingend in seiner alten Funktion. Außerdem ist die Arbeitgeberin zur Nachzahlung der Vergütung für den Zeitraum ab dem Ausspruch der Kündigung verpflichtet.

Wann in Ihrem Unternehmen die Betriebsratswahlen im Eilverfahren gestoppt werden können
LAG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.03.2020 − Az. 7 TaBVGa 2/20

Fall:

Ein Lieferdienst beschäftigt 512 Mitarbeiter. Fahrer, Lageristen und Staplerfahrer arbeiten in einem Schichtsystem. Einige Mitarbeiter arbeiten in festen Schichten und andere in unregelmäßigen, flexiblen Schichten. Die flexiblen Schichten werden vom Arbeitgeber per E‐Mail angeboten. Die Mitarbeiter können sich für eine Übernahme selbst entscheiden, wobei das Windhund‐Prinzip gilt. Der Mitarbeiter, der sich am schnellsten rührt, bekommt den Zuschlag für die flexible Schicht.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Mitarbeiter müssen vom Einladungsschreiben Kenntnis nehmen können

Ende 2019 entschieden sich 3 Mitarbeiter und die Gewerkschaft Nahrung‐Genuss‐Gaststätten dafür, zunächst am 11.1.2020 und dann anschließend am 13.1.2020 eine Betriebsversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl abzuhalten. Dies teilte man dem Arbeitgeber auch mit. Am 3.1.2020 erklärte der Arbeitgeber darauf, dass aufgrund von urlaubs‐ und ferienbedingten Abwesenheiten nicht alle Arbeitnehmer des Betriebs von der Einladung zu der Wahlversammlung am 13.1.2020 rechtzeitig Kenntnis nehmen können. Anfang des Jahres 2020 waren nur rund 50 % der Mitarbeiter im Betrieb. Bis Ende Januar 2020 würde sich diese Zahl auf ca. 90 % steigern. Also solle man die Wahlversammlung frühestens Ende Januar durchführen. Die Einladung zur Betriebsversammlung erfolgte schließlich durch Aushang vom 16.1.2020 bzw. 18.1.2020 für den 27.1.2020. An der Betriebsversammlung wurde dann der Wahlvorstand gewählt, allerdings nahmen nur rund 34 Mitarbeiter, d. h. 6,64 % der Belegschaft, teil. Trotzdem terminierte der Wahlvorstand die Betriebsratswahl auf den 2.4.2020. Der Arbeitgeber wollte nun die Betriebsratswahl untersagen lassen. Vom 18.1.2020 um 17 Uhr bis zum 27.1.2020 um 9 Uhr seien 185 Mitarbeiter durchgängig nicht im Betrieb gewesen. Das bedeute aber auch, dass 36 % der Belegschaft überhaupt keine Kenntnis von der Einladung gehabt hätten. Dies sei mit dem Grundsatz einer allgemeinen Wahl nicht vereinbar. Der Wahlvorstand war anderer Ansicht. Schließlich habe man die Einladung auch in der WhatsApp‐Gruppe und in der vom Arbeitgeber betriebenen Facebook‐Gruppe veröffentlicht. Dort sei die Einladung aber wieder gelöscht worden. Der Arbeitgeber wiederum stellte klar, dass es keine betriebliche Facebook‐Gruppe gebe. Es gebe nur eine Gruppe von Mitarbeitern zum Zwecke des Schichttauschs mit 264 Mitgliedern. Alle Beiträge, die nicht mit dem Schichttausch zu tun haben, würden gelöscht. Der Arbeitgeber zog vor Gericht und wollte durch eine einstweilige Verfügung die Durchführung der für den 2.4.2020 angesetzten Betriebsratswahl untersagen lassen. Sein Vorhaben blieb aber erfolglos.

Ergebnis:

Abbruch im Eilverfahren ist nur bei Nichtigkeit möglich

Die Richter sahen hier keinen Anlass für einen Wahlabbruch im Eilverfahren. Theoretisch sei dies zwar möglich, aber nur wenn die vom Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl nichtig sei. Eine Nichtigkeit wiederum liege nur in Ausnahmefällen vor. Dabei muss ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl vorliegen, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ord‐nungsgemäßen Wahl vorliegt. Der Mangel der Wahl muss offenkundig sein. Die Wahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Eine solche Nichtigkeit liegt hier nicht vor. Eine zu kurze Einladungsfrist führt nicht zur Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands, auch dann nicht, wenn Teile der Belegschaft von der Einladung zur Wahlversammlung keine Kenntnis nehmen konnten. Schließlich kann in einem betriebsratslosen Betrieb der Gesamtbetriebsrat einen Wahlvorstand bestellen, d. h., dies kann ohne Mehrheitsbeteiligung der Arbeitnehmer geschehen. Ein Gesamtbetriebsrat besteht in Unternehmen, die mehrere eigenständige Betriebe haben. Gebildet wird der Gesamtbetriebsrat aus Mitgliedern der Betriebsräte aus den Betrieben. Hat nun ein Betrieb keinen eigenen Betriebsrat, kann der Gesamtbetriebsrat einen Wahlvorstand bestellen.

Arbeitsrecht Archiv
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