Arbeitsrecht Archiv

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Thema: Stellenausschreibung

Dienstliche Beurteilung – Die Bewertung eines Bewerbers durch seinen Konkurrenten ist nicht zulässig
ArbG Siegburg, Entscheidung vom 18.09.2019 − Az. 3 Ca 985/1

Fall:

Eine Behörde hatte die Stelle einer Teamleiterin neu zu besetzen. Es bewarben sich sowohl die aktuelle kommissarische Teamleiterin als auch deren Mitarbeiterin. Über diese musste die Interims-Teamleiterin eine Beurteilung schreiben, die für das Bewerbungsverfahren relevant war. Auffällig war, dass alle 12 Bewerber mit der Note „B“ beurteilt waren. Nur die eine Bewerberin, die sich von ihrer Vorgesetzten und Konkurrentin bewerten lassen musste, hatte die Note „C“. Sie klagte auf Entfernung der dienstlichen Beurteilung aus ihrer Personalakte, unter anderem weil ihre Vorgesetzte als Mitbewerberin befangen gewesen sei.

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Gericht:

Beurteilung durch Konkurrenz ist Verfahrensfehler

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Es ging von einer fehlerhaften Bewertung aus: Die Beurteilung durch einen unmittelbaren Mitbewerber stelle einen schweren Verfahrensfehler dar. Der Dienstherr hat die Pflicht, seine Mitarbeiter unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen. Wer selbst Teilnehmer eines Bewerbungsverfahrens ist, möchte die Stelle selbst haben und ist daher nicht mehr objektiv in seiner Bewertung.

Ergebnis:

Nur Objektivität hilft Ihnen im Bewerbungsverfahren

Der Streitfall ist im öffentlichen Dienst angesiedelt, wo der Kampf um neu zu besetzende Stellen oder Beförderungsstellen nicht selten auf dem Rechtsweg ausgetragen wird. Im Beamtenrecht existiert hierfür sogar das Konstrukt der Konkurrentenklage. Der Grund: Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst werden nach dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Bestenauslese ausgewählt (Art. 33 Abs. 2 GG). Daraus wiederum resultieren subjektive Rechte der Bewerber. In der Privatwirtschaft gibt es keine vergleichbare Konstellation. Unterläuft Ihnen als Personalverantwortlichem in der Privatwirtschaft im Bewerbungsverfahren ein ähnlicher Fehler, brauchen Sie nicht unbedingt mit einem Rechtsstreit zu rechnen. Das gilt zumindest, soweit es nicht auch beispielsweise zu einer Diskriminierung kam. Dennoch sollten sich in der Privatwirtschaft Konkurrenten einer internen Stellenbesetzung nicht gegenseitig beurteilen. Vermutlich sind sie in solch einer Situation ebenso wenig zu 100-prozentiger Objektivität in der Lage wie Beschäftigte im öffentlichen Dienst.

Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch bei öffentlichem Arbeitgeber
LAG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 29.08.2019 − Az.: 10 Sa 563/19

Fall:

Es ging um einen 57-jährigen schwerbehinderten Mann. Er war als Fachassistent in einer Leistungsabteilung bei einem öffentlichen Arbeitgeber bereits zuvor schon einmal zwei Jahre beschäftigt. Nun hatte er sich im Rahmen von mehreren Stellenausschreibungen beworben und dabei auch auf seine Schwerbehinderung hingewiesen. Der öffentliche Arbeitgeber hat den Mann trotzdem nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und daher klagte dieser und verlangte eine Entschädigung in Höhe von jeweils drei Monatsgehältern.

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Gericht:

Er hatte jedoch keinen Anspruch auf eine Zahlung, da die Benachteiligung gerechtfertigt war nach § 15 Abs. 2 AGG. Bei öffentlichen Arbeitgebern besteht ein Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Hier lag der Grund der Nichteinladung jedoch nicht in der Behinderung, sondern in anderen Gründen. Die Behörde hatte deutlich gemacht, dass sie den Bewerber wegen des Vorbeschäftigungsverbots des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und der früheren Tätigkeit nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte.

Ergebnis:

Der schwerbehinderte Bewerber hat den Rechtsstreit verloren.

Unangemessene Vorstellungsgespräche
ArbG Berlin, Entscheidung vom 13.11.2019 − Az.: 60 Ca 13111/18

Fall:

Es ging um den stellvertretenden Direktor einer bekannten Stiftung. Bereits 2014 wurden mehrfach Vorwürfe sexueller Belästigungen durch ihn in den Raum gestellt. Da sich diese Vorwürfe in den folgenden Jahren substantiierten, kündigte die Stiftung dem stellvertretenden Direktor fristgemäß. Dagegen klagte der Mann.

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Gericht:

Die Kündigung war jedoch wirksam, da ein Kündigungsgrund vorlag. Der stellvertretende Direktor bot keine Gewähr mehr für ein angemessenes Verhalten gegenüber den Beschäftigten der Stiftung. Dies beruhte auf erheblichen unangemessen Gesprächssituationen wie Vorstellungsgesprächen mit Bewerberinnen für Praktika oder Volontariat in einem privaten Rahmen. Auf die Vorwürfe der sexuellen Belästigung kam es daher gar nicht mehr für die Richter an.

Ergebnis:

Der stellvertretende Direktor hat den Rechtsstreit verloren.

Warum Sie bei Stellenausschreibungen jetzt noch vorsichtiger sein müssen
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 19.12.2019 − Az.: 8 AZR 2/19

Fall:

Eine Schule hatte folgende Stellenanzeige ausgeschrieben: „Fachlehrerin Sport (w)“. Es bewarb sich ein Sportlehrer. Die Schule sagte ihm ab und teilte ihm mit, dass man eine weibliche Sportlehrkraft für die Mädchen suche. Der Mann fühlte sich diskriminiert und klagte vor dem Arbeitsgericht auf eine Entschädigung nach dem AGG. In der ersten und in der zweiten Instanz verlor er, doch er gab nicht auf und zog bis nach Erfurt vor das BAG.

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Gericht:

BAG spricht Entschädigungsanspruch zu

Der Weg hat sich für den Lehrer gelohnt. Denn das BAG sieht einen grundsätzlichen Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Um diesen Anspruch abzuwehren, hätte man seitens der Schule darlegen müssen, dass für die konkrete Stelle ein geschlechtsbezogenes Merkmal eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG ist. Da dies nicht getan wurde, gibt es auch keinen Grund, der die Ablehnung (= Diskriminierung) des Mannes rechtfertigen könnte. Die Schule ist also zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.

Ergebnis:

Legen Sie die konkreten Anforderungen dar

Um sich auf § 8 Abs. 1 AGG zu berufen, reicht es für Sie als Arbeitgeber nicht einfach zu sagen: Ich suche nur Frauen, weil Mädchen unterrichtet oder ausgebildet werden sollen. Sie müssen detaillierter argu‐mentieren. So hätte die Schule z. B. ins Feld führen können, dass die Stelle mit einer Frau besetzt werden muss, weil Mädchen unterrichtet werden sollen. Laut Lehrplan sollen im Sportunterricht diese und jene Übungen gemacht werden, bei denen die Lehrkraft Hilfestellung geben muss. Dabei kann es zu Berührungen kommen, die den Mädchen bei einer männlichen Lehrkraft unangenehm sein könnten. Zudem könnte beim Sportunterricht eventuell auch Erste Hilfe geleistet werden müssen. Dabei kann es notwen‐dig sein, dass der Lehrer die Mädchen zum Teil entkleiden muss, um Verletzungen freizulegen.

Zum Beispiel hat das BAG am 28.5.2009 unter dem Az. 8 AZR 536/08 entschieden, dass es rechtens war, dass ein Gymnasium bei der Besetzung einer Betreuerstelle für das von ihm betriebene Mädcheninternat die Bewerberauswahl auf Frauen beschränkt hatte. Grund: Die Betreuer müssen auch Nachtdienste leis‐ten, ein männlicher Betreuer im Nachtdienst im Mädcheninternat birgt zu viel Konfliktpotenzial. Wenn Sie sich also bei Ihrer Stellenausschreibung auf § 8 Abs. 1 AGG berufen wollen, dann legen Sie sich eine fundierte Begründung zurecht, warum die Stelle gerade mit einem Mann, einer Frau oder einer intersexuellen Person besetzt werden muss.

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