Arbeitsrecht Archiv

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Thema: Arbeitszeit

Das deutsche Arbeitszeitrecht geht vor
Oberverwaltungsgericht Münster, Entscheidung vom 30.10.2019 − Az.: 4 A 1334/17

Fall:

Es gibt eine im europäischen Recht den Mitgliedsstaaten eröffnete Möglichkeit zur Abweichung von Bestimmungen über Lenk- und Ruhezeiten der Kraftfahrer, die tierische Abfälle befördern. Und so kam es zum Rechtsstreit zwischen der Betreiberin einer Fleischmehlfabrik und einem Bundesland. Die Arbeitgeberin beschäftigte Fahrer, die nicht zum Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte von Schlachthöfen zu ihren Fabriken bringen. Nach zahlreichen Überschreitungen der maximal zulässigen Arbeitszeiten ihrer Kraftfahrer war gegen die Arbeitgeberin ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden, das schließlich eingestellt wurde. Das zweifelnde Rechtslage gab, verlangte die Arbeitgeberin schließlich vom Verwaltungsgericht die Feststellung, dass die Arbeitszeiten ihrer Kraftfahrer wegen des Vorrangs europäischer Regelungen nicht unter die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes fallen.

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Gericht:

Damit kam die Arbeitgeberin allerdings nicht durch. Die Anwendung des Arbeitszeitgesetzes auf die Kraftfahrer wird weder durch einen allgemeinen Vorrang der europäischen Vorgaben für die Lenk- und Ruhezeiten, noch durch eine nach europäischem Recht mögliche mitgliedstaatliche Ausnahme für Kraftfahrer, die tierische Abfälle befördern, ausgeschlossen. Vielmehr werden die unionsrechtlichen Mindestanforderungen an die Höchstarbeitszeit des Fahrpersonals, die im deutschen Arbeitszeitgesetz umgesetzt sind, durch unmittelbar anwendbare europäische Normen über Lenk- und Ruhezeiten von Kraftfahrern lediglich ergänzt. Die tägliche Höchstarbeitszeit liegt nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz bei grundsätzlich acht Stunden täglich, die wöchentliche Höchstarbeitszeit bei 48 Stunden, wobei das Arbeitszeitgesetz jeweils Verlängerungsmöglichkeiten vorsieht.

Ergebnis:

Die Arbeitgeberin hat den Fall verloren. Da das Oberverwaltungsgericht mit dieser Ansicht von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abgewichen ist, wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Einigungsstelle ist für „mobiles Arbeiten“ zuständig
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Entscheidung vom 25.02.2020 − Az.: 5 TaBV 1/20

Fall:

Eine Arbeitgeberin betrieb ein bundesweit tätiges Forschungszentrum mit mehr als 20 Standorten im gesamten Bundesgebiet und rund 8.500 Beschäftigten. Sie wendete den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst an. Die örtlichen Betriebsräte hatten einen Gesamtbetriebsrat gebildet. Dieser strebte nun seit mehr als vier Jahren eine Regelung zum mobilen Arbeiten an. Hierzu legte er der Arbeitgeberin einen Entwurf für eine Betriebsvereinbarung vor, der unter anderem eine Definition der mobilen Arbeit in Abgrenzung zur Telearbeit enthielt und einen grundsätzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Teilnahme an der mobilen Arbeit vorsah. Der Gesamtbetriebsrat stützte sich dabei auf Delegationsbeschlüsse mehrerer örtlicher Betriebsräte. Die Arbeitgeberin lehnte eine Regelung hierzu ab und bestritt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Sie verwies stattdessen auf individualrechtliche Regelungen im Einzelfall. Der Gesamtbetriebsrat beschloss daher, die Einigungsstelle anzurufen und diese gerichtlich einsetzen zu lassen.

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Gericht:

Die Einigungsstelle kann nach den Richtern für den Regelungsgegenstand „mobiles Arbeiten", insbesondere zur Regelung der damit zusammenhängenden Fragen des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit, der Arbeitszeit und der Arbeitsstätte, zuständig sein. Das reichte für die Möglichkeit der Einsetzung der Einigungsstelle. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle kann sich zwar auch daraus ergeben, dass das Mitbestimmungsrecht nicht dem antragstellenden, sondern einem anderen Betriebsrat zusteht. Hat der örtliche Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat aber mit der Behandlung einer Angelegenheit beauftragt, ist dieser auch für die Anrufung der Einigungsstelle zuständig.

Ergebnis:

Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle bestellt und einen Einigungsstellenvorsitzenden zur Regelung des Themas „mobiles Arbeiten" beauftragt.

Feiertagsarbeit - Ersatzruhetag muss an einem Werktag gewährt werden
LAG Rheinland-Pfalz, Entscheidung vom 24.09.2019 − Az.: 6 Sa 55/19

Fall:

Ein Arbeitnehmer war als Verlader in einem Distributionszentrum beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen Anwendung. Dieser sah einen Zuschlag für Feiertagsarbeit von 200 % vor. Der Arbeitnehmer begann seine Tätigkeit frühestens 18:00 Uhr und arbeitete bis spätestens 3:30 Uhr am Folgetag. Für die Tätigkeit an Feiertagen zahlte der Arbeitgeber die tarifliche Zulage und schrieb die tatsächliche Arbeitszeit dem Arbeitszeitkonto gut. Dies genügte dem Arbeitnehmer nicht. Er verlangte eine zusätzliche Zeitgutschrift von knapp 8 Stunden je Feiertag. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber ihm keinen zutreffenden Ersatzruhetag für die Feiertagstätigkeit gewährt. Die Einräumung einer Freischicht genüge nicht. Vielmehr müsse er einen kompletten Tag frei haben.

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Gericht:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz gab dem Arbeitnehmer teilweise Recht. Er erhalte zwar keine zusätzliche Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto, weil dies die tarifliche Regelung nicht vorsehe. Die Feiertagszuschläge seien zutreffend gezahlt worden. Allerdings müsse der Arbeitgeber zukünftig einen Ersatzruhetag von 0:00 bis 24 Uhr an einem Werktag gewähren. Die Einräumung einer Freischicht sei nicht ausreichend, weil die Schicht jeweils Arbeitszeit an zwei Tagen umfasse und damit kein ganzer Kalendertag frei sei.

Kein Nachweis: keine Vergütung
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Entscheidung vom 05.11.2019 − Az.: 5 Sa 73/19

Fall:

Ein Unternehmen erfasste die Anwesenheitszeiten seiner Arbeitnehmer mit einer Software, in die die Arbeitnehmer ihre Kommen- und Gehen-Buchungen eingaben. Eine Buchhalterin war unter anderem dafür zuständig, das System zu pflegen und nachträgliche Änderungen (etwa wegen Krankheit) zu erfassen. Nach der fristlosen Kündigung der Buchhalterin legte sie dem Arbeitgeber einen Ausdruck vor, der mit „Überstunden-Freizeitkonto“ überschrieben war und ihre Buchungszeiten auswies. Auf dieser Grundlage verlangte sie die Abgeltung von mehr als 260 Überstunden. Der Arbeitgeber meinte aber, Überstunden nie angeordnet zu haben. Er habe sie auch nicht nachträglich gebilligt.

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Gericht:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern sah ebenfalls keinen Grund für die Überstundenvergütung. Die Buchhalterin hätte darlegen müssen, dass es sich bei dem Ausdruck um einen Saldo ihrer Arbeitszeiten handele oder dass ein Vorgesetzter die Zeiten gebilligt habe. Außerdem ergebe sich aus der Aufstellung nicht, dass Überstunden notwendig waren, um die geschuldete Arbeitsleistung zu erbrin-gen.

Pausenzeiten müssen Sie nur ausnahmsweise vergüten
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 11.12.2019 − Az.: 5 AZR 579/18

Fall:

Ein Arbeitnehmer war seit 1993 bei seinem Arbeitgeber zuletzt als Schichtführer im Bergbau tätig. In den unterirdischen Stollenanlagen waren radioaktive Abfälle gelagert worden. Der Arbeitnehmer war insbesondere mit der Vorbereitung der Rückholung der Abfälle tätig, um letztlich die Gesamtanlage stillzulegen. Es erfolgten vor allem Probebohrungen und Probenentnahmen. Die Pausen verbrachte der Mitarbeiter in einem Container unter Tage. Er verlangte von dem Arbeitgeber die Anerkennung der Pausenzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit an Tagen, an denen er länger als 6 Stunden unter Tage gearbeitet habe. Dies ergebe sich aus den Regelungen im Arbeitszeitgesetz für den Bergbau. Der Arbeitgeber war der Auffassung, es habe kein Bergbau mehr stattgefunden.

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Gericht:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Arbeitnehmer Recht. Pausenzeiten seien im Bergbau unter Tage vergütungspflichtige Arbeitszeit. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Schließlich sei unter Tage eine Pausenzeit nur bei fortbestehenden Erschwernissen möglich. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers unterfalle auch dem Begriff des Bergbaus. Es komme nicht nur auf die Rohstoffgewinnung an.

Ergebnis:

Lassen Sie Pausenzeiten dokumentieren! Nach § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) müssen Sie als Arbeitgeber Ihren Mitarbeitern in Ab-hängigkeit von der Dauer der Arbeitszeit bestimmte Pausen gewähren:1. Bei einer Arbeitszeit von 6 bis 9 Stunden beträgt die Mindestruhezeit 30 Minuten. 2. Bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden haben die Arbeitnehmer Anspruch auf mindestens 45 Minuten Pause. Diese Vorgaben sind jedoch nur Mindestzeiten. Längere Pausen sind hingegen ohne Wei-teres möglich. Um eine Pause handelt es sich aber nur, wenn der Mitarbeiter weder Arbeit leisten noch sich hierfür bereithalten muss und die Pausenzeit im Voraus feststeht. Sowohl die Dauer als auch die Lage der Pausenzeiten dürfen Sie als Arbeitgeber nach billigem Er-messen frei festlegen, solange die Mindestzeiten nicht unterschritten werden. Zur vergü-tungspflichtigen Arbeitszeit gehören die Pausenzeiten grundsätzlich nicht. Dokumentie-ren Sie daher die Pausenzeiten, weil dies für Lohnstreitigkeiten relevant werden kann. Im vorliegenden Fall griff eine besondere Ausnahme ein. So regelt § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZG ausdrücklich, dass im Bergbau unter Tage die Pausenzeiten zur Arbeitszeit gehören. Dem-zufolge musste der Arbeitgeber diese auch entsprechend vergüten.

So verweigern Sie ein Teilzeitbegehren für den Sommer
LAG Nürnberg, Entscheidung vom 27.08.2019 − Az. 6 Sa 110/19

Fall:

Ein angestellter Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr hatte ein schulpflichtiges Kind und beantragte auch deshalb die Reduzierung seiner regelmäßigen jährlichen Arbeitszeit um 1/12. So weit, so gut.

Verteilungswunsch war kritisch

Die Verteilung der arbeitsfreien Tage sollte dabei so erfolgen, dass er immer im August frei hätte.

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Gericht:

Gericht aufseiten der Arbeitgeberin

Der Mann hatte keinen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nur für den Monat August. In diesem Fall standen tatsächlich betriebliche Gründe gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 Teilzeit‐ und Befristungsgesetz entgegen. Nach dieser Vorschrift liegt ein betrieblicher Grund insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Aufgrund des erhöhten Arbeitsvolumens im Monat August belegte die Arbeitgeberin eindeutig, dass sie nicht allen Urlaubswünschen für die Sommerferien nachkommen kann und daher regelmäßig maximal 10 Urlaubstage gewährt. Dieses Konzept stand dem Urlaubswunsch des Mannes, jährlich im gesamten August Urlaub in Anspruch zu nehmen, entgegen. Zwar war das Verlangen nicht willkürlich, sondern folgte dem nachvollziehbaren Interesse, die Sommerferien im August mit seinem schulpflichtigen Kind zu verbringen, erfahrungsgemäß standen aber die Urlaubsansprüche anderer Arbeitnehmer dem entgegen.

Ebenfalls wichtig: Unzulässige Rechtsausübung

Außerdem war der Teilzeitwunsch des angestellten Sachverständigen auch eine unzulässige Rechts‐ausübung nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit, verbunden mit dem Wunsch, den gesamten August arbeitsfrei zu haben, hatte nur den Zweck, die bestehende Regelung der Arbeitgeberin zu unterlaufen. Er wollte damit entgegen § 7 Bundesurlaubsgesetz gerade für den August in den folgenden Jahren seinen Urlaub sichern. Damit wollte er eine bestimmte Verteilung seiner Arbeitszeit erreichen. Ohne die Arbeitszeitreduzierung hätte er darauf keinen Anspruch, deshalb ist der Wunsch, die Arbeitszeit zu reduzieren, in diesem Fall rechtsmissbräuchlich. Folgerichtig konnte sich der Arbeitnehmer nicht vor Gericht durchsetzen und verlor den Rechtsstreit.

Ergebnis:

Ganz wichtig: Die Gründe der Arbeitgeberin

Die Arbeitgeberin lehnte das unter Berufung auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab.

1. Der Monat August sei der umsatzstärkste Monat im Jahr.
2. Der Ausfall des Arbeitnehmers sei in diesem Zeitraum auch aufgrund von Urlaubswünschen anderer Mitarbeiter nicht kompensierbar.

Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit für private Paketzusteller ist rechtmäßig
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 09.04.2020 − Az. 4 L 132/20

Fall:

Das erhöhte Paketaufkommen wegen der Corona‐Krise rechtfertigt für Paketzusteller keine Ausnahme vom gesetzlichen Verbot, Arbeitnehmer an Sonn‐ und Feiertagen zu beschäftigen. Weder bestünden schwere und unzumutbare Nachteile für die Unternehmen, noch bestehe eine ein öffentliches Interesse begründende Versorgungskrise, entschieden die Richter. Nach dem Arbeitszeitgesetz dürfen Sie Arbeitnehmer an Sonn‐ und Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigen. Ausnahmen sieht das Gesetz ausdrücklich für bestimmte Tätigkeiten vor. Außerdem kann die zuständige Aufsichtsbehörde weitere Ausnahmen im Einzelfall zulassen.

Private Zustelldienste wollten sonntags arbeiten

Mehrere private Paketzustelldienste hatten vergeblich eine solche Ausnahme für die Osterfeiertage bei der zuständigen Berliner Behörde beantragt. In ihren Eilanträgen hatten sie geltend gemacht, dass ohne Ausnahme wegen des aktuell erhöhten Paketaufkommens und des hohen Krankenstands ein Rückstau unerledigter Zustellungen eintrete, der nicht zeitnah abgebaut werden könne.

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Gericht:

Gericht lehnte den Antrag ab

Das VG lehnte die Eilanträge ab. Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass ohne eine Aus‐nahme vom Beschäftigungsverbot schwere und unzumutbare Nachteile für sie eintreten könnten. Das Gesetz sehe eine Ausnahme zum einen für den Fall vor, dass die besonderen Verhältnisse dies zur Ver‐hütung eines unverhältnismäßigen Schadens erfordern würden. Dieser Schaden müsse über die wirt‐schaftlichen Einbußen hinausgehen, die durch die allgemeine Betriebsruhe an Sonn‐ und Feiertagen oh‐nehin schon verursacht würden. Die Antragsteller hatten dazu nichts vorgetragen.

Ergebnis:

Versorgung ist auch ohne Paketzustellung am Sonntag gesichert

Soweit die Antragsteller Ausnahmen im öffentlichen Interesse geltend gemacht hatten, war schon fraglich, ob sich private Unternehmen überhaupt auf diese Vorschrift berufen können. Das könne aber offenbleiben, weil es hier jedenfalls an einem solchen Interesse fehle. Denn trotz der Corona‐Pandemie gebe es laut den Richtern keine Versorgungskrise, die die Paketzustellung zur Sicherung der Versorgung von Haushalten dringend nötig machen würde.

Verpflichtung zur Zeiterfassung
Europäischer Gerichtshof (EuGH), Entscheidung vom 14.05.2019 − Az.: C-55/18

Fall:

Ein Bauhelfer hatte nach Beendigung einer mehrwöchigen Tätigkeit die Vergütung von weiteren 12,05 Stunden verlangte und hierzu eine Übersicht sowie durch ihn selbst gefertigte Handschriftliche Aufzeichnungen vorlegte. Die Arbeitgeberin verwies darauf, dass die tägliche Arbeitszeit gemeinsam mit dem Arbeitnehmer in einem Bautagebuch festgehalten worden sei.

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Gericht:

Das Arbeitsgericht Emden hat dem Bauhelfer seine Vergütungsansprüche voll zugestanden. Die Arbeitgeberin hatte nach Art. 31 Abs. 2 der EUGrundrechte-Charta die Verpflichtung zur Einrichtung eines „objektiven“, „verlässlichen“ und „zugänglichen“ Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer. Dagegen hatte sie vorzustoßen. Sie hatte kein entsprechendes System eingerichtet und daher auch keine objektiven und verlässlichen Daten vorlegen können, anhand derer sich die Arbeitszeiten des Bauhelfers nachvollziehen ließen. Das Bautagebuch reichte bei weitem nicht aus.

Ergebnis:

Der Arbeitgeber hat den Rechtsstreit verloren.  

Warum Sie dazu keine gültigen Regelungen in Betriebsvereinbarungentreffen können
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 18.03.2020 − Az. 5AZR36/19

Fall:

Ein Servicetechniker war im Außendienst tätig. Sein Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat eine Betriebs-vereinbarung geschlossen, nach deren § 8 Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten. Im Zeitraum von März bis August 2017 blieben Fahrtzeiten im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten unberücksichtigt –und unbezahlt. Das wollte der Mitarbeiter nicht akzeptieren. Er verlangte von seinem Arbeitgeber, die Zeiten seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Dieser weigerte sich mit Hinweis auf die Betriebsvereinbarung.

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Gericht:

Regelungsgegenstand für Tarifverträge

Das BAG bestätigte schließlich den Anspruch des Mitarbeiters, soweit seine Fahrten die vereinbarte Ar-beitszeit überschritten haben. § 8 der Betriebsvereinbarung betrifft eine Angelegenheit, die bereits im einschlägigen Tarifvertrag geregelt ist bzw. in dessen Zuständigkeit fällt. Nach der sogenanntenTarifsperre des § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch einen Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Manche Tarifverträge enthalten zwar Öffnungsklauseln, die entsprechende Regelungen auf betrieblicher Ebene zulassen, im Streitfall gab es jedoch keine Klausel, die dies ermöglicht hätte.

Ergebnis:

Betriebsvereinbarung über vergütungspflichtige Arbeitszeit? Den Aufwand können Sie sich sparenDie Regelung in der Betriebsvereinbarung scheiterte schon deshalb, weil eine solche Vereinbarungdie Frage:„Vergütungspflichtige Arbeitszeit oder nicht?“,in diesem Zusammenhang gar nicht regeln konnte. Für alle Beteiligten waren allein die Bestimmungen des Tarifvertrags entscheidend. Inwiefern der Mitar-beiter im Streitfall seine Arbeitszeit mit den Fahrten überschritten hatte, konnte das Bundesarbeitsge-richt mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz, des Landesarbeitsgerichts, nicht abschlie-ßend entscheiden

Warum Sie den Abbau von Arbeitszeitguthaben im Vergleich deutlich erklären müssen
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 20.11.2019 − Az. 5 AZR 578/18

Fall:

Eine Sekretärin wurde fristlos entlassen und klagte dagegen. Vor Gericht schlossen die Parteien dann am 15.11.2016 einen Vergleich. Sie einigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 31.1.2017 beendet werden sollte. Bis zu diesem Termin wurde die Sekretärin unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Der Arbeitgeber dachte, dass in diesem Freistellungszeitraum automatisch auch der Resturlaub abgebaut wird. Ausdrücklich formuliert hatte man das im Vergleich aber nicht. Eine allgemeine Abgeltungs‐ bzw. Ausgleichsklausel wurde nicht in den Vergleich aufgenommen. Als das Arbeitsverhältnis beendet war, klagte die Sekretärin erneut gegen den Arbeitgeber auf Zahlung von rund 1.300 € brutto als Abgeltung von 67,10 Stunden Guthaben auf ihrem Arbeitszeitkonto.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Das Kind beim Namen nennen

Das BAG entschied, dass die Sekretärin grundsätzlich einen Anspruch auf Auszahlung ihres Arbeitszeitguthabens hat. Können Plusstunden wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden, muss der Arbeitgeber sie in Geld auszahlen. Eine vereinbarte Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich kann nur dann zu einem Abbau von Überstunden führen, wenn der Arbeitnehmer dies auch erkennen kann. Ihm muss deutlich werden, dass die Freistellung auch zum Abbau von Arbeitszeitguthaben führen soll. Dies ist hier nicht der Fall, der Vergleichstext lässt diese Absicht nicht erkennen. Daran fehlte es im entschiedenen Fall. In dem gerichtlichen Vergleich ist weder ausdrücklich noch kon‐kludent hinreichend deutlich festgehalten, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen bzw. mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein soll. Der Sekretärin stehen somit 1.300 € brutto zu.

Ergebnis:

Ohne eine ausdrückliche Erklärung kommen Sie nicht zu Ihrem Wunschziel, das Sie im Vergleichsverfahren anstreben.

Zeiterfassung mittels Fingerabdrucks
ArbG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2019 − Az.: 29 Ca 5451/19

Fall:

Ein Arbeitgeber hatte eine neue Zeiterfassung unter Verwendung seines Fingerabdrucks („Fingerprint“) eingeführt. Dafür wurden aus dem Fingerabdruck des Mitarbeiters zunächst sogenannte Minutien, also individuelle Fingerlinienverzweigungen, mittels eines speziellen Algorithmus extrahiert. Ein Arbeitnehmer weigerte sich das System zu bedienen und erhielt Abmahnungen. Dagegen zog er vor das Gericht und sah sich in seinen Rechten aus dem Bundesdatenschutzgesetz verletzt.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Der Arbeitnehmer erhielt recht. Die Verarbeitung von biometrischen Daten wie den Minutiendatensätzen ist nach Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung grundsätzlich verboten. Allerdings ist die Möglichkeit einer freiwilligen Einwilligung des Arbeitnehmers ausdrücklich vorgesehen. Da diese jedoch nicht vorlag, war das Vorgehen des Arbeitgebers unwirksam. Je intensiver in das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers eingegriffen werden soll, desto wichtiger muss der vom Arbeitgeber mit dem Verfahren verfolgte konkrete Zweck wiegen.

Ergebnis:

Die Abmahnungen waren aus der Personalakte zu entfernen. Gegen die Entscheidung ist Berufung eingelegt worden. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.

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