Arbeitsrecht Archiv

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Thema: Haftung

Die Haftung des Mitarbeiters
LAG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.10.2019 − Az.: 13 Sa 1171/18

Fall:

Ein Arbeitnehmer war als Berufskraftfahrer tätig. Er fuhr eine Zugmaschine mit Auflieger, die mit Hygieneartikeln beladen worden war, von Köln zum Betriebshof nach Essen. Dort parkte er den Auflieger in einer ruhigen Seitenstraße außerhalb des Betriebshofs und sattelte ihn ab. Dann wurde der Auflieger gestohlen. Die Haftpflichtversicherung der Arbeitgeberin übernahm den Schaden bis auf einen Restbetrag in Höhe von 14.500 €. Diesen Betrag verlangt die Arbeitgeberin nun von dem Fahrer. Grundsätzlich waren die LKW auf dem Betriebshof abzustellen, der durch ein Rolltor und eine Einfriedung gesichert war. Nach Angaben des Fahrers sei jedoch auf dem Vorplatz des Betriebshofs kein Parkplatz frei gewesen. In einem solchen Fall sei es üblich gewesen, in der Seitenstraße zu parken. Die Arbeitgeberin bestritt dies und behauptete sogar, durch einen Aushang das Abstellen in der Seitenstraße verboten zu haben. Ob das dem Lkw-Fahrer mitgeteilt worden war, die sich nicht mehr aufklären. Außerdem seien nach Auffassung der Arbeitgeberin zwei Parkplätze vor Rampen bei der Rückkehr des Fahrers frei gewesen.

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Gericht:

Die Richter kamen nun zu der Auffassung, dass Zeugen zu der Frage gehören werden müssten, ob Parkplätze vor den Rampen frei waren. Dazu kamen sie jedoch nicht mehr, da die Parteien sich darauf einigten, dass der Fahrer 2.000 € zu zahlen hat. Dieser Wert kam deshalb zustande, da eine Haftung nur bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung möglich gewesen wäre. Hier lag jedoch allenfalls ein unterer Grad der Fahrlässigkeit mit dem Fahrer vor. Außerdem war sein geringer Verdienst zu berücksichtigen.

Ergebnis:

Die Parteien einigten sich auf einen Vergleich, nach dem der Arbeitnehmer 2.000 € zahlen musste.

Haftung des Arbeitnehmers: Ermittlungskosten können Sie als Schadensersatz geltend machen
LAG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 21.04.2020 − Az.: 19 Sa 46/19

Fall:

Ein Arbeitnehmer war als Leiter des Zentralbereichs Einkauf für seinen Arbeitgeber tätig. Durch interne Whistleblower hatte der Arbeitgeber den Verdacht, dass sich der Mitarbeiter geldwerte Vorteile zu seinen Lasten verschaffe. So wurde u. a. angezeigt, dass er sechs Champions-League-Spiele des FC Bayern München besucht habe. Die Reisekosten hatte er sich vom Arbeitgeber erstatten lassen, die Eintrittskarten hatten Geschäftspartner besorgt. Darüber hinaus habe der Mitarbeiter eine private Reise nach New York als Dienstreise abgerechnet.

Der Arbeitgeber beauftragte zur Ermittlung des Sachverhalts eine auf Compliance-Ermitt-lungen spezialisierte externe Anwaltskanzlei. Schließlich kündigte er das Arbeitsverhältnis und machte Schadenersatz für die einzelnen Schadenspositionen geltend. Dabei verlangte er auch Schadenersatz im Hinblick auf die Ermittlungskosten der Anwaltskanzlei.

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Gericht:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Arbeitgeber überwiegend Recht. Der Mitarbeiter müsse den verursachten Schaden durch fehlerhafte Nutzung der Firmenkreditkarte und fehlerhaft abgerechnete Reisekosten ersetzen. Darüber hinaus habe er die Kosten der Anwaltskanzlei teilweise in Höhe von 66.500 € zu tragen. Dies seien die Ermittlungskosten bis zum Ausspruch der Kündigung. Es handele sich insoweit nicht um Rechtsverfolgungskosten, die der Arbeitgeber zu tragen habe (LAG Baden-Württem-berg, Urteil vom 21.04.2020, Az.: 19 Sa 46/19, nicht rechtskräftig).

Ergebnis:

Externe Ermittlung muss notwendig sein

Haben Sie auf Grund eines konkreten Tatverdachtes einen Detektiv oder eine Anwalts-kanzlei/einen Steuerberater beauftragt und konnten diese Ihren Mitarbeiter einer ver-tragswidrigen Handlung überführen, können Sie die durch den Einsatz entstandenen Kos-ten vom Arbeitnehmer zurückverlangen. Die Ermittlungskosten müssen aber notwendig gewesen seien. Bevor Sie also externe Hilfe in Anspruch nehmen, müssen Sie zunächst versuchen, den Verdacht auf andere Weise zu überprüfen. Denkbar sind insoweit die Be-fragung von Arbeitskollegen, betriebsinterne Überwachung des Arbeitnehmers (z. B. durch Videokameras) oder ein klärendes Gespräch mit dem betreffenden Mitarbeiter. Wenn Sie alle Fragen der folgenden Checkliste mit „Ja“ beantworten, können Sie entstandene Ermittlungskosten zurückverlangen:

  • Bestand der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung/eines grob arbeitswidrigen Verhaltens?
  • Haben Sie alle Ihnen zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft, den Sachverhalt anderweitig aufzuklären?
  • Wurde durch die externe Ermittlung Ihr Verdacht nachweisbar bestätigt?
  • Sind die durch den Einsatz entstandenen Kosten verhältnismäßig (kein übermäßiger Aufwand an Zeit, Personen und Sachkosten)?
  • Handelt es sich nur um die Ermittlungskosten zur Beseitigung einer Vertragsstörung oder zur Schadensverhütung (vor allem bis zur Kündigung)?

Haftungserleichterung – Bauherren bürgen nicht nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 16.10.2019 − Az. 5 AZR 241/18

Fall:

Eine Gesellschaft hatte auf einem ihr gehörenden Grundstück in Berlin ein Einkaufszentrum errichten lassen, das sie verwaltete und in dem sie Geschäftsräume an Dritte vermietete. Für den Bau des Ge-bäudes beauftragte sie einen Generalunternehmer, der mehrere Subunternehmer einschaltete. Bei einem dieser Subunternehmer war ein Arbeitnehmer als Bauhelfer beschäftigt. Diesem Bauhelfer blieb der Subunternehmer – trotz rechtskräftiger Verurteilung in einem Arbeitsgerichtsprozess – Lohn schuldig. Über das Vermögen des Generalunternehmers wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Arbeitnehmer wollte deshalb wegen des ihm für seine Arbeit auf der Baustelle des Einkaufszentrums noch zustehenden Nettolohns die Gesellschaft in Anspruch nehmen, denn er meinte, auch sie hafte nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz als Unternehmerin für die Lohnschulden eines Subunternehmers.

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Gericht:

Klage wurde abgewiesen

Die Gesellschaft unterlag als bloße Bauherrin nicht der Bürgenhaftung des Unternehmers nach § 14 AEntG. Der Begriff des Unternehmers war einschränkend auszulegen. Erfasst wird nur der Unternehmer, der sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Gibt er auf diese Weise die Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand, ist es gerechtfertigt, ihm die Haftung für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche der auch in seinem Interesse auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer aufzuerlegen.

Die Begründung der Klageabweisung

Das traf auf die Gesellschaft, die das Gebäude errichten lassen wollte, aber nicht zu. Sie hatte lediglich als Bauherrin den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt und damit nicht die Erfüllung eigener Verpflichtungen an Subunternehmer weitergegeben. Mit der Vergabe des Bauauftrags schaffte sie nur die Grundlage dafür, ihrem Geschäftszweck, der Vermietung und Verwaltung des Gebäudes, nachgehen zu können.

Ergebnis:

Hier lesen Sie die relevante Gesetzesnorm:
§ 14 AEntG lautet: „§ 14 Haftung des Auftraggebers
Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt).“

Kein Wegeunfall auf dem Betriebsgelände
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 28.11.2019 − Az. 8 AZR 35/19

Fall:

Eine Pflegekraft fuhr mit dem Auto zur Arbeit und stellte ihren Pkw auf einem Parkplatz außerhalb des Geländes des Seniorenpflegeheims ab. Die restliche Strecke bewältigte sie zu Fuß; sie ging zu einem Seiteneingang des Heimes. Auf einem Weg auf dem Betriebsgelände, der unbeleuchtet und nicht gestreut war (es war winterlich glatt), rutschte sie aus und brach sich den Knöchel.  Sie erhielt Verletztengeld, verlangte aber zusätzlich von Ihrem Arbeitgeber noch Schadenersatz (für Fahrtkosten zum Arzt) und die Zahlung von Schmerzensgeld.

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Gericht:

Kein Wegeunfall, keine Arbeitgeberhaftung

Die Richter wiesen die Klage der Pflegerin ab. Denn auch für ihren Arbeitgeber greift das Haftungsprivileg nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Unternehmer sind nur dann zum Ersatz von Personenschäden verpflich‐tet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Beides liegt hier nicht vor. Der Arbeitgeber hat den Versicherungsfall nicht vorsätzlich herbeigeführt. Und es handelt sich auch nicht um einen Wegeunfall. Denn der Arbeitsweg beginnt mit Durchschreiten der Außenhaustür und endet mit Durchschreiten oder Durchfahren des Werkstores. Es ist nicht zulässig, von Fall zu Fall auf die speziellen örtlichen und baulichen Verhältnisse der jeweiligen Betriebsstätte abzustellen.

Ergebnis:

Arbeitnehmerin erhält nur Verletztengeld

Die Richter am BAG haben es hier sehr genau genommen und richtig geurteilt. Denn der Beginn und das Ende des Arbeitsweges sind klar definiert. Sie haben der Arbeitnehmerin nicht mehr zusprechen können, als ihr zusteht! Nehmen Sie es als Arbeitgeber auch so genau wie die Richter am BAG und zahlen Sie nicht vorschnell auf unberechtigte Ansprüche!

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