Arbeitsrecht Archiv

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Thema: Arbeitsverhältnis

Arbeitnehmerverbände: Mit der Freiheit der Gewerkschaften ihre Meinung zu äußern, müssen Sie leben
ArbG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.04.2020 − Az. 14 Ca 5677/19

Fall:

Ein Unternehmen und dessen geschäftsführender Direktor klagten gegen ver.di und einen der Gewerk‐schaftssekretäre. Im Februar/März 2019 behauptete ver.di in Flugblättern, dass das Unternehmen versucht hätte, Mitarbeiter von der Teilnahme an einem für den 10.1.2019 organisierten Streiktag abzuhalten. Zudem hätten sie den Betriebsrat des Unternehmens über die Anzahl der Krankheitstage eines Mitarbeiters belogen, um die Entfristung seines Arbeitsverhältnisses zu verhindern. Das Unternehmen verlangte die Unterlassung dieser Behauptungen.

Gericht:

ver.di gewann vor Gericht

Die Arbeitsrichter stellten sich auf die Seite der Gewerkschaft. Es sei eine Abwägung vorzunehmen zwi‐schen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einerseits und dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Schutz der Koalitionsfreiheit andererseits. Die Äußerung, dass die Bemühungen einer Mitarbeiterin, Kollegen von der Teilnahme an einem Streik abzuhalten, vom Arbeitgeber organisiert gewesen seien, sei zwar möglicherweise nicht richtig gewesen. Es handele sich aber auch nur um eine persönliche Einschätzung, die als Meinungsäußerung im Rahmen von Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sei.

Geringwertigere Tätigkeit darf nicht zugewiesen werden
ArbG Arnsberg, Entscheidung vom 27.09.2019 − Az.: 1 Ca 157/19

Fall:

Eine Gemeinde beschäftigte einen Controller, der mit Vergabeverfahren befasst war. Seine Anstellung basierte auf dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), auf dessen Grundlage er in eine bestimmte Entgeltgruppe eingruppiert war. Nach der für die Tätigkeit des Controllers maßgeblichen Entgeltgruppe erforderte seine Eingruppierung gründliche, umfassende Fachkenntnisse. Die Tätigkeit müsse zudem besonders verantwortungsvoll sein und sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung hervorheben. Nach mehreren Jahren der Beschäftigung sollte der Controller neue Aufgaben übernehmen. Dabei sollte er Vergaben im Wesentlichen nur noch vorbereiten – Entscheidungen fanden an anderer Stelle statt. Der Controller ging gegen diese neue Aufgabenzuweisung vor.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Das Arbeitsgericht (ArbG) Arnsberg gab ihm Recht. Der Controller könne verlangen, dass er mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die seiner Entgeltgruppe entsprechen. Eine Zuweisung geringwertiger Tätigkeiten sei selbst dann unzulässig, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt werde. Die Zuweisung der lediglich mechanischen Vorbereitungstätigkeiten der Vergabe sei gegenüber seinem vorherigen Aufgabenbereich eine solche geringwertigere Tätigkeit.

Ihr Mitarbeiter kann einen Urlaubsanspruch auch nicht per einstweiliger Verfügung durchsetzen
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Entscheidung vom 12.09.2019 − Az.: 5 SaGa 6/19

Fall:

Die Arbeitnehmerin eines Callcenters hatte bereits im Januar ihren Jahresurlaub vom 27.7. bis zum 9.8. beantragt. Der Arbeitgeber hat den Urlaub daraufhin aber lediglich bis zum 2.8. gewährt. Den Urlaubsantrag für die 2. Urlaubswoche lehnte er ab. Im Juni desselben Jahres sprach der Arbeitgeber gegenüber der Arbeitnehmerin eine verhaltensbedingte Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 31.7. aus. Dagegen wehrte sich die Arbeitnehmerin umgehend mit einer Kündigungsschutzklage. In einem 2.Verfahren, einem Eilverfahren, also per einstweiliger Verfügung, beantragte die Arbeitnehmerin, den Arbeitgeber außerdem zu verpflichten, ihr den beantragten Urlaub vom 5.8. bis zum 9.8. zu gewähren.

Arbeitsrechtarchiv Personalwissen

Gericht:

Arbeitsgericht gibt dem Antrag statt

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt, und zwar mit der Begründung, dass das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses durch die Kündigungsschutzklage strittig sei. Es ging deshalb davon aus, dass noch ein Urlaubsanspruch bestehen könne. Auch der Aspekt, dass der Arbeitgeber seine Kündigung noch zurückziehen könne, sprach nach Ansicht des Gerichts für den Anspruch des Arbeitnehmers. Mit dieser Entscheidung war der Arbeitgeber nicht einverstanden. Er legte deshalb Berufung ein. Doch noch bevor das LAG, das über die Berufung zu entscheiden hatte, zum Zug kam, einigten sich die Arbeitnehmerin und der Arbeitgeber auf einen Vergleich. Danach sollte das Beschäftigungsverhältnis nun zum 31.8. enden.

LAG beurteilt den Fall anders

Bedingt durch den Vergleich reduzierte sich die Aufgabe des LAG nun auf eine Entscheidung darüber, wer welche Kosten des Gerichtsverfahrens zu tragen hat. Denn während in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht jede Partei die Kosten selbst trägt, sind diese in der 2. Instanz, also im Berufungsverfahren, von der unterlegenen Partei zu tragen. Der Vergleich hatte dazu geführt, dass es keine unterlegene Partei gab. Das Gericht musste deshalb prüfen und entscheiden, welche Partei im Fall der Weiterführung des Verfahrens den Prozess gewonnen hätte.

Ergebnis:

Einstweilige Verfügung auf Urlaubsgewährung ist unbegründet

Die Richter stellten im Rahmen dieser Entscheidung klar, dass sie die einstweilige Verfügung auf Urlaubsgewährung als unbegründet ansehen. In ihrer Begründung verwiesen sie darauf, dass der Urlaubsanspruch ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis voraussetze. Das sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Urlaub eine Freistellung von der Arbeitspflicht darstelle. Diese Voraussetzung sei nur gegeben, solange ein Arbeitsverhältnis bestehe. Daran mangelte es hier. Schließlich sei die Arbeitnehmerin ursprünglich nicht verpflichtet gewesen, ihre Arbeitspflicht nach dem 31.7. zu erbringen.

Massenentlassung: Cockpit-Personal unwirksam entlassen
Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 13.02.2020 − Az. 6 AZR 146/19

Fall:

Air Berlin hatte an mehreren Flughäfen sogenannte Stationen. Diesen Stationen war das Personal für die Bereiche Boden, Kabine und Cockpit zugeordnet. Ein Pilot der Air Berlin mit Einsatzort Düsseldorf wurde am 01.11.2017 wegen Stilllegung des Flugbetriebs zu Ende November 2017 gekündigt. Der Pilot klagte gegen die Kündigung. Sein Argument: Er sei mit vielen anderen Beschäftigten im Wege der Massenentlassung gekündigt worden. Jeder Massenentlassung muss eine Massenentlassungsanzeige vorausgehen. Air Berlin hat diese Anzeige auch erstattet, allerdings für den Betrieb „Cockpit“ und das bundesweit beschäftigte Cockpit‐Personal in Berlin. Laut dem Piloten gab es aber für Düsseldorf keine Stilllegungsentscheidung, andere Fluggesellschaften hätten den Flugbetrieb weiter am Laufen gehalten.

Air Berlin hätte Massenentlassung in Düsseldorf anzeigen müssen

Und mit seiner Einschätzung lag der Pilot gar nicht so verkehrt. Nach § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz muss der Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit eine sogenannte Massenentlassungsanzeige erstatten, bevor er in einem Betrieb eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Nach der europäischen Massenentlassungsrichtlinie handelt es sich aber bei den Stationen der Air Berlin um Betriebe. Das heißt, für den Piloten und seine Düsseldorfer Kollegen hätte die Massenent‐lassungsanzeige in Düsseldorf erstattet werden müssen und sie hätte sich nicht nur auf das Cockpit‐Per‐sonal beschränken dürfen, sondern auch auf das Boden‐ und Kabinenpersonal einbeziehen müssen.

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Gericht:

Ungenauigkeit kippt Kündigung

Das Urteil zeigt sehr schön, dass Arbeitgeber jede Kündigung doppelt und dreifach prüfen müssen. Ein Definitionsfehler hat hier eine Vielzahl an Kündigungen gekippt. Sehen Sie als Arbeitgeber daher bei Kün‐digungen immer ganz genau hin. Andernfalls riskieren Sie neben einem Haufen unnötiger Arbeit Ansprüche der Betroffenen gegen Sie! Zwischenzeitlich hat das BAG in einem anderen Senat gleichlautend auch für den Standort Köln entschieden, auch hier waren die Kündigungen des Cockpit‐Personals unwirksam (BAG, Urteil vom 27.2.2020, Az. AZR 215/19).

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Neues Arbeitsverhältnis lässt Karenzentschädigung nicht automatisch entfallen
LAG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 10.12.2019 − Az.: 11 Sa 1573/19

Fall:

Eine Arbeitnehmerin war seit 01.06.2016 als Zahnärztin in einer Praxis angestellt. Ihr Arbeitsvertrag enthielt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot von einem Jahr. Dieses untersagte eine Tätigkeit als Zahnärztin in einem Umkreis von 3 km um den Praxissitz. Zudem war eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen Jahresvergütung vorgesehen. Die Arbeitnehmerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2018 (Karenzzeitraum). Sie nahm zum 01.08.2018 eine Tätigkeit bei einem anderen Zahnarzt auf, dessen Praxis 4 km entfernt war. Sie verdiente dort 1.500 € monatlich und verlangte die vereinbarte Karenzentschädigung. Der Arbeitgeber erklärte, dass er auf das Wettbewerbsverbot verzichte. Zudem seien die Angaben hinsichtlich des neuen Verdienstes unglaubwürdig. Schließlich klagte die Zahnärztin auf ca. 48.000 € für ein Jahr.

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Gericht:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gab der Arbeitnehmerin Recht. Es sei ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden. Der ehemalige Arbeitgeber habe hierauf nicht wirksam verzichten können. Er müsse daher die Karenzentschädigung zahlen. Die erzielte Vergütung im neuen Arbeitsverhältnis stehe dem nicht entgegen. Insbesondere habe die Arbeitnehmerin ihre Auskunftspflicht erfüllt. Der bisherige Arbeitgeber habe auch nicht hinreichend dargelegt, dass die ehemalige Mitarbeiterin hier einen Verdienst böswillig unterlassen habe .

Sachgrundlose Befristung: Arbeitnehmerin bestätigt keine Vorbeschäftigung: Klausel unwirksam!
LAG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 11.03.2020 − Az.: 4 Sa 44/19

Fall:

Eine Mitarbeiterin wurde bei ihrem Arbeitgeber im April 1999 als Montierungsarbeiterin für die Montage von Scheinwerfern eingesetzt. Dieses Arbeitsverhältnis war befristet bis 31.07.2000 und ging mit Wirkung ab 01.09.1999 im Rahmen eines Betriebsübergangs auf eine andere Firma über. Nach Befristungsablauf schied die Mitarbeiterin zunächst aus dem Erwerbsleben aus. Im Jahr 2014 bewarb sich die Arbeitnehmerin erneut bei dem Arbeitgeber. Im Vorstellungsgespräch legte sie einen Lebenslauf vor. In diesem war eine Vorbeschäftigung bei dem Arbeitgeber nicht aufgeführt. Im Personalbogen kreuzte die Arbeitnehmerin bei der darin gestellten Frage „Waren Sie schon in einem Betrieb der B.-Gruppe beschäftigt“ das Kästchen mit der Antwort „Ja“ an. Nach einer Vorbeschäftigung bei dem Arbeitgeber selbst wurde sie nicht gefragt. Am 05.12.2014 schlossen die Parteien dann einen Arbeitsvertrag ab, mit welchem die Arbeit-nehmerin als Anlagenbedienerin für den Zeitraum 08.12.2014 bis 30.04.2015 befristet eingestellt wurde. Der Arbeitsvertrag enthielt unter Nr. 1.1. Abs. 2 folgende Regelung: „Sie bestätigen, bisher in keinem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis (einschließlich Ferienbeschäftigung) zu uns gestanden zu haben“. Auf Grund einer tarifvertraglich möglichen Erweiterung der sachgrundlosen Befristung wurde die Befristungsdauer bis 30.09.2018 verlängert. Die Mitarbeiterin klagte anschließend gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wegen der Vorbeschäftigung hätte dieses nicht mehr sachgrundlos befristet werden können.

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Gericht:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg sah es genauso. Einer wirksamen sachgrundlosen Befristung habe entgegengestanden, dass die Arbeitnehmerin bereits zuvor schon einmal in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stand. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG stünde einer erneuten sachgrundlosen Befristung auch eine Vorbeschäftigung vor 15 Jahren entgegen. Vorliegend greife auch keine der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Ausnahmen wegen Unzumutbarkeit. Die geschul-dete Tätigkeit der Arbeitnehmerin während der Vorbeschäftigung war nicht anders geartet als die vertraglich geschuldete Tätigkeit im neuen befristeten Arbeitsverhältnis. Darüber hinaus sei die Vertragsklausel, mit welcher die Arbeitnehmerin bestätigt habe, bisher nicht in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber gestanden zu haben, unwirksam. Diese Klausel würde die Position der Arbeitnehmerin nämlich erheblich schwächen. Die Befristung sei rechtsunwirksam. Der befristete Arbeitsvertrag gelte deshalb gemäß §16Satz 1TzBfG als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.03.2020, Az.: 4Sa 44/19).

Ergebnis:

Bundesverfassungsgericht kippt 3-Jahres-Grenze des Bundesarbeitsgerichts

Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG), wie bereits auf Seite 1 angedeutet, jahrelang vertreten hatte, dass eine sachgrundlose Befristung dann wieder möglich ist, wenn das frühere Arbeitsverhältnis zwischen beiden Beteiligten länger als 3 Jahre her ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem im Jahr 2018 ein Ende gesetzt (BVerfG, Be-schluss vom 06.06.2018, Az.: 1 BvR 1375/14 u. a.). Demnach gilt, dass grundsätzlich jede Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber die Möglichkeit einer erneuten sachgrund-losen Befristung sperrt. Das BAG hat diese Rechtsprechung mittlerweile übernommen.

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